
Die schönsten und schmackhaftesten Lebkuchen, so sagt man, kommen aus Nürnberg.Dort lebte einst zu einer Zeit als das Wünschen noch geholfen hat, ein fleißiger, aber armer Bäckergeselle, der bei einem strengen Meister in Lohn und Brot stand.In der Backstube kamen ausschließlich Lebkuchen aus dem Ofen tagein, tagaus musste der brave Geselle viereckige Honigkuchen formen, mit Mandeln verzieren und glasieren.Und weil der Meister streng, die Meisterin aber noch strenger war, schlief der Geselle in einer zugigen Kammer unter dem Dach und auch seinen kargen Lohn bekam er nicht immer ausgezahlt. Eines Weihnachtsabends, als der Bäckergeselle nach getaner Arbeit mit nichts als einer Schürze voll Pfefferkuchen in seine Kammer geschickt wurde, kamen ihm die Tränen, als er an sein trauriges Schicksal dachte. All die langweiligen, viereckigen Lebkuchen konnte er schon nicht mehr sehen; wie gerne hätte er ein paar lustige Figuren aus dem Teig geformt - das hätte ihm Spaß gemacht. Und so ging er auf die Straße hinaus, hinauf zur Burg, denn er wollte nicht, dass die Bäckersleute seine Tränen sahen: sie hätten ihn deswegen ohnehin nur ausgeschimpft.Und wie er so dasaß, im Schnee unter der Burg, riss ihn auf einmal ein merkwürdiger Klang aus seinen trüben Gedanken. Er wollte seinen Augen nicht trauen: Ein kleiner brauner Knirps stand da keine zehn Schritte entfernt und blies in ein goldenes Horn. Es dauerte nicht lange und bald kamen weitere dieser braunen Männchen herbei.Man konnte sie deutlich unterscheiden: Es waren Bauern und Bäuerinnen, Ritter zu Pferde und zu Fuß, Jungfrauen und Edelleute darunter und unter einem Baldachin saß, mit einer prächtigen Krone, der König dieses kleinen Volkes. Und alle Wichte schienen aus Lebkuchen gemacht zu sein, doch waren sie dabei ganz lebendig.Der arme Bäckergeselle kannte natürlich die Geschichte vom Lebkuchenkönig, die man sich erzählte: Das es der kleine König ist, der den Teig gehen lässt und dafür sorgt, dass die Pfefferkuchen so richtig schön braun werden.Da nahm der Geselle all seinen Mut zusammen und fing den Lebkuchenkönig ein. Er staunte nicht schlecht, als er sah, wie sich der König in seiner Hand in einen Glückspilz verwandelt hatte. Den nahm er mit nach Haus und verwahrte ihn sorgfältig in einer alten Lebkuchenschachtel.Am nächsten Tag kündigte er seine Stellung, suchte sich woanders eine Unterkunft und wartete, bis das erste Mondlicht auf seinen Glückspilz fiel. Dann wünschte er sich den feinsten und leckersten Lebkuchenteig und formte daraus all die schönen Figuren, die er in der Nacht zuvor gesehen hatte: Pferdchen, Ritter, Spielleute und Bauersfrauen. Kaum, dass er dies zu Ende gebracht hatte, waren die Kuchen durch Zauberei des kleinen Königs auch schon fertig gebacken.Die Figuren waren ihm so gut gelungen, dass er sie in den nächsten Tagen schneller verkaufte, als er sie gemacht hatte. Bald hatte er so viel Geld beisammen, dass er sich eine richtige Backstube einrichten konnte, mit allem, was dazugehört.Als nach einem Jahr wieder das Weihnachtsfest nahte und unser Lebkuchenbäcker seinen Glückspilz aus dem Versteck holte, sprach dieser auf einmal: "Ich habe dir stets Glück gebracht. Jetzt gib mich frei, damit ich wieder bei meinem Volk sein kann."Da sah der einstige Bäckergeselle ein, dass die Zeit des Abschieds gekommen war, bedankte sich noch einmal von Herzen beim Lebkuchenkönig und gab ihm die Freiheit wieder. Und weil der Bäcker auch ohne Glückspilz weiter fleißig war und immer schönere Figuren backte, wurde er in kürzester Zeit zu einem reichen und angesehenen Mann.
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